Die Phagentherapie nutzt die natürlichen Eigenschaften von Bakteriophagen zur gezielten Bekämpfung schädlicher Bakterien. Ein Bakteriophage – oder kurz Phage – ist ein natürlicher „Bakterienfresser“.
Um sich zu vermehren, sucht sich der Phage eine passende Wirtszelle, injiziert seine DNA und verwandelt das Bakterium in eine Art Phagenfabrik. Diese produziert so lange neue Phagen, bis sie platzt. Streng genommen frisst der Phage das Bakterium also nicht – er nutzt es als Produktionsstätte, bis es zerstört wird.
Diese Form der natürlichen Bakterienbekämpfung wird in Georgien bereits seit über 100 Jahren erforscht – und dort auch therapeutisch eingesetzt. Inzwischen wächst auch in Europa das Interesse an dieser Methode, etwa bei Hautproblemen wie Akne, Neurodermitis oder Rosacea.
Die Bakterienfresser aus Georgien
Georgien gilt als Pionierland der Phagentherapie. Bereits 1923 wurde in Tiflis ein mikrobiologisches Labor gegründet, das sich der Phagenforschung widmete. Heute ist daraus das renommierte Eliava-Institut hervorgegangen – eine weltweit führende Einrichtung auf diesem Gebiet.
Obwohl die Wirkung von Phagen bereits in den 1920er-Jahren bekannt war, geriet sie im Westen mit dem Aufstieg der Antibiotika in Vergessenheit. In der Sowjetunion hingegen blieb die Phagentherapie mangels Antibiotika eine wichtige Behandlungsform – und wurde stetig weiterentwickelt.
Das Eliava-Institut verfügt heute über eine der größten Phagen-Sammlungen weltweit. Patienten aus aller Welt reisen nach Tiflis, wenn herkömmliche Antibiotika versagen. Dort werden individuelle Phagen-Cocktails nach ärztlicher Diagnose zusammengestellt – eine Praxis, die sich seit Jahrzehnten bewährt hat.
Anwendung der Phagentherapie
Die Wirksamkeit von Bakteriophagen ist wissenschaftlich gut belegt. Dennoch ist ihre Anwendung in vielen EU-Ländern bislang nur eingeschränkt möglich – meist nur im Rahmen individueller Heilversuche gemäß Artikel 37 der Helsinki-Deklaration.
Da Phagen kaum bekannt und nicht frei erhältlich sind, reisen viele Betroffene nach Georgien, um sich dort auf eigene Kosten behandeln zu lassen. Der zunehmende Druck durch multiresistente Keime hat jedoch Bewegung in die Diskussion gebracht.
Belgien war 2018 das erste EU-Land, das eine rechtliche Grundlage für die Phagentherapie geschaffen hat. Seitdem ist dort die Behandlung mit oral oder injiziert verabreichten Phagen möglich – etwa im Militärkrankenhaus Königin Astrid in Brüssel. Auch hier werden individuelle Cocktails durch Apotheker zusammengestellt und labortechnisch geprüft.
In Europa zeichnen sich derzeit zwei Ansätze ab:
- Standardisierte Phagen-Cocktails für bestimmte Indikationen
- Personalisierte Therapien mit individuell ausgewählten Phagen
Ein weiteres wichtiges Projekt ist Phage4Cure, das sich für die Etablierung von Phagen als Arzneimittel einsetzt. Beteiligt sind unter anderem:
- Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH
- Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM)
- Charité – Universitätsmedizin Berlin
- Charité Research Organisation GmbH (CRO)
Quelle: Phagovital,com